Atomoptik

Atomoptik
Atomoptik,
 
Teilgebiet der Atomphysik, das sich mit den Eigenschaften von Materiewellen neutraler Teilchen (Atome, Moleküle, Cluster) beschäftigt. Da nach der Quantenmechanik einem Teilchen mit dem Impuls p die Wellenlänge λ = h / p (h plancksches Wirkungsquantum) entspricht, gelten für Materiewellen analoge Gesetze wie für Lichtwellen (Welle-Teilchen-Dualismus). Wegen der relativ großen Masse der Teilchen ist ihr Impuls vom Betrag m · v (m Masse, v Geschwindigkeit) ebenfalls relativ groß, daher kann die Wellenlänge der Materiewellen wesentlich kleiner als die Lichtwellenlänge sein.
 
Analog zur »Lichtoptik« (Optik) unterscheidet man in der Atomoptik zwischen Beugung (diffraktive Atomoptik) und Brechung (refraktive Atomoptik) von Materiewellen. Die ersten Beugungsexperimente mit Atomstrahlen wurden 1929 an Kristalloberflächen ausgeführt und dienten seitdem zur Oberflächenanalyse. Beugung an künstlich hergestellten Strukturen wurde z. B. an der Fresnel-Linse realisiert. An Transmissionsgittern mit weniger als 100 nm Gitterkonstante wurden seit 1991 z. B. Heliumatome, Heliumcluster aus bis zu 26 Heliumatomen und Fullerene aus 60 und 70 Kohlenstoffatomen gebeugt und damit deren Welleneigenschaften nachgewiesen. - Die refraktive Atomoptik hat seit etwa 1985 durch die Nutzung der Lichtkraft zur Ablenkung von Atomstrahlen durch Laserstrahlen große Fortschritte gemacht. Insbesondere wurden Linsen, Beugungsgitter, Spiegel und Strahlteiler für Materiewellen entwickelt und damit Atominterferometer konstruiert. Eine Linse erhält man, indem man den Atomstrahl im Zentrum eines Laserstrahls (dessen Intensität in radialer Richtung abfällt) entlang führt. Als Beugungsgitter dienen Lichtgitter, an deren Netzebenen Bragg-Reflexion auftritt. Als Spiegel werden inhomogene (quer zur Ausbreitungsrichtung gedämpfte) Lichtwellen benutzt, wie sie bei der Totalreflexion von Laserstrahlen an der Grenzfläche zwischen Glas und Vakuum auftreten. Strahlteiler erhält man durch die Wechselwirkung mit einer Laserwelle, die die Atome in eine quantenmechanische Superposition von Grund- und angeregtem Zustand versetzt. Als erste technische Anwendung befinden sich Lithographiegeräte für die Erzeugung von Nanostrukturen mit Atomstrahlen in der Entwicklung (Atomlithographie).
 
Strahlungsquellen für die Atomoptik sind bisher inkohärente Atomstrahlen, die entstehen, wenn Gase mit hohen Druck durch eine ultrafeine Düse gepresst werden oder Metalle verdampft werden und der Dampfstrahl durch mehrere Loch- oder Spaltblenden zu dünnen Bündeln geformt wird. Mit der Entwicklung des Atomlasers stehen neuerdings auch kohärente Atomstrahlen zur Verfügung, die den Laserstrahlen der Optik entsprechen. Diese Strahlen aus sehr kalten Atomen (mit sehr geringer kinetischer Energie) können frei im Schwerefeld der Erde fallen oder parallel zu stromführenden metallischen Drähten geführt werden.
 
 
T. P. Altenmüller: A. u. Meßprozeß (1997);
 U. Janicke: Von klass. zu nichtklass. A. Ein Modell für eine laserartige Atomquelle (1997);
 F. de Fornel: Evanescent waves. From Newtonian optics to atomic optics (Berlin 2001);
 P. Meysrtre: Atomic optics (Berlin 2001).

Universal-Lexikon. 2012.

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